Über vier Tage waren die Einsatzkräfte der Feuerwehr Herxheim im Hochwassereinsatz im westlichen und nördlichen Rheinland-Pfalz in Trier-Ehrang und Bad Neuenahr tätig.

Als die freiwilligen Feuerwehrmänner und -frauen am Donnerstag, den 15. Juli 2021 aufgewacht sind, haben Sie bestimmt in den Nachrichten die verheerende Hochwasserflut in Trier-Ehrang und im nördlichen Rheinland-Pfalz gelesen. Dabei war das nördliche Rheinland-Pfalz der am stärksten betroffenen Bereich.

Dass sich daraus einer der längsten Einsätze der Feuerwehr Herxheim entwickeln würde, hätte sich zu diesem Zeitpunkt niemand vorstellen können.

Am Donnerstag, den 15.07.2021, kam um 09:18 Uhr die erste Mail des Wehrführers. Über den Brand- und Katastrophenschutzinspekteurs des Landkreises Südliche Weinstraße (BKI), Jens Thiele, kam die Aufforderung der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion des Landes Rheinland-Pfalz (ADD), eine Kräfteübersicht für einen möglichen Einsatz in Rheinland-Pfalz zusammenzustellen. Benötigt wurde jedoch nicht nur „Manpower“, sondern auch Material in Form von Löschfahrzeugen, Mehrzweckfahrzeugen, Pumpen und Schläuche. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde von einer Einsatzdauer der Kräfte von mehr als 24 Stunden ausgegangen.

Von den rund 180 Feuerwehrmännern und -frauen ist niemand hauptamtlich bei der Feuerwehr der Verbandsgemeinde Herxheim beschäftigt. Hauptberuflich sind sie als IT-Fachleute, Elektriker, Beamte, Diplom-Ingenieure, Landwirte, Mechatroniker, Postangestellter, Medienfachleute usw. tätig. Schnellstens wurde mit den jeweiligen Arbeitgebern abgeklärt, ob ein solch langer Einsatz möglich wäre. Unkompliziert gaben die Arbeitgeber ihr „OK“. Im Minutentakt trafen nun Meldungen beim Wehrführer Florian Müller ein, wer für einen Einsatz bereitstehen kann. So war innerhalb einer Stunde ein erstes Team für einen möglichen Einsatz zusammengestellt.

Gleichzeitig wurden bei der gemeinsamen technischen Einsatzleitung bzw. der Gruppe Information und Kommunikation (TEL/IuK) des Landkreises Südliche Weinstraße und der Stadt Landau sowie bei der Schnelleinsatzgruppe Verpflegung (SEG-V) des Landkreises, ebenfalls eine Abfrage durchgeführt.

Bereits um kurz nach 13:00 Uhr kam die Nachricht des Wehrleiters Jürgen Fink, dass die ADD alle verfügbaren Kräfte abberuft. Alle Einsatzkräfte, die sich gemeldet hatten, sollten sich sofort im Feuerwehrhaus einfinden. Abfahrt aller Einsatzkräfte ist um 14:30 Uhr ab Landau.

Innerhalb von Minuten musste nun von jedem/jeder Einzelnen umgeplant werden. Von der Arbeitsstelle nach Hause und schnell die benötigten Materialien, für einen Einsatz über einen ungewissen Zeitraum, zusammenstellen und einpacken: Unterwäsche, Strümpfe, mehrere Wechsel-T-Shirts, Kulturbeutel mit Hygieneartikel, Rasierer, Schlafsack, Taschenmesser, Taschenlampe, Wasserflaschen, Kleinigkeiten zum Essen, Ersatzbatterien usw…

Angekommen im Feuerwehrhaus musste noch das Feuerwehrmaterial zusammengestellt und auf die Fahrzeuge verladen werden. Um 14:10 Uhr fuhren die ersten Fahrzeuge der Feuerwehren der Verbandsgemeinde Herxheim zum vereinbarten Treffpunkt nach Landau am neuen Messplatz. Dabei waren Fahrzeuge der Feuerwehren Herxheim, Insheim, Rohrbach und der Schnelleinsatzgruppe Verpflegung.

In Landau trafen sich weitere Fahrzeuge von Feuerwehren der Verbandsgemeinden Offenbach, Bad Bergzabern, Edenkoben, Maikammer, Landau-Land und Annweiler sowie der Stadt Landau. Die ADD hatte Bereitstellungsräume festgelegt, die nun angefahren wurden. Im Konvoi wurden der Bereitstellungsraum Dörth von den primären Einsatzkräften angefahren. Dörth liegt ca. 77 km von Bad Neuenahr-Ahrweiler entfernt. Auch den Einsatzkräfte der TEL/IuK wurde ein Bereitstellungsraum zugewiesen bevor es zum Einsatz ging.

Die Einsatzkräfte der Feuerwehren des Landkreises Südliche Weinstraße wurden nach Bad Neuenahr entsendet, um dort einen Einsatzabschnitt zu übernehmen.

Im Rahmen der Ersterkundung des Einsatzgebietes durch den Einsatzleiter BKI Jens Thiele wurde sich ein Bild des Ausmaßes gemacht und erste Einsatzschwerpunkte definiert, sowie der Standort der örtlichen Einsatzleitung festgelegt. Hier wurden Meldungen der Bevölkerung entgegengenommen und die einzelnen Kräfte entsprechend den gemeldeten Einsatzstellen eingesetzt.

Schnell entwickelte sich der Platz „Am Alten Markt“ zu einem zentralen Treffpunkt der Bewohner des betroffenen Teils der Stadt Bad Neuenahr. Einsatzstellen wurden hier durch die Bevölkerung gemeldet, dann durch die Einsatzleitung priorisiert und die Einsatzkräfte dorthin entsandt.

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Auch die Schnelleinsatzgruppe Verpflegung (SEG-V) richtete sich hier ein. Ihr Einsatzauftrag war eigentlich „nur“, die vom Landkreis und der Stadt eingesetzten Kräfte zu verpflegen. Doch auch die dortige Bevölkerung wurde mit Essen sowie Getränken verpflegt. Die Menschen waren dankbar, dass es eine solch zentrale Anlaufstelle gab. Bierzeltgarnituren wurden aufgebaut, an denen man sich einfach ausruhen konnte. Die Menschen hatten einfach das Bedürfnis, sich mal bei einer Tasse Kaffee oder zu einem Schluck Wasser hinsetzen und über das Erlebte zu Reden.

Da in dem gesamten Stadtteil keine funktionierende Stromversorgung mehr vorhanden war, wurde hier auch eine Möglichkeit geschaffen, dass die Bewohner die Akkus ihrer Handys aufladen konnten. Somit konnten viele Menschen wieder mit Angehörigen Kontakt aufnehmen, alltägliche Dinge organisieren, usw…

Auch dieses Angebot wurde sehr dankbar angenommen.

Aber es gab auch Menschen in dem Gebiet, die nicht vom Hochwasser betroffen waren. Diese boten ihre Hilfe an, worauf gerne zurückgegriffen wurde. Somit bekam die Schnelleinsatzgruppe zusätzlich tatkräftige Unterstützung.

Geschäftsleute, die nicht vom Hochwasser betroffen waren, stellten Lebensmittel, die mit der Zeit ungenießbar zu werden drohten, zur Verfügung. Bäcker spendeten Brot und Brötchen, Metzger beispielsweise Leberkäse, Wurst und Fleisch, welches für die Bevölkerung zubereitet wurde. Ein Supermarktbesitzer räumte selbstlos sein Geschäft aus und spendete viele Zutaten, die von der Schnelleinsatzgruppe für die Zubereitung der Mahlzeiten benötigt wurden.

Alle, die den zentralen Platz ansteuerten und etwas zu trinken oder zu essen haben wollten, bekam es auch. Egal ob Bevölkerung oder Einsatzkräfte der Feuerwehr, dem THW, der Polizei, der Bundeswehr oder privater Initiativen.

Die Einsatzkräfte selbst waren mit einer fast unüberschaubaren Anzahl von Einsatzstellen konfrontiert.

Unterschiedlichste Einsätze mussten bearbeitet werden. Hauptsächlich waren Keller und Tiefgaragen auszupumpen, Schutt von den Straßen zu räumen, Straßen wieder einigermaßen befahrbar zu machen, Infrastruktur gesichert werden, und vieles mehr.

Aber auch Szenarien wie Gasgeruch durch angeschwemmte Flüssiggastanks oder abgerissene Gasleitungen, Entstehungsbrände durch Akkus von e-Bikes oder Chemikalien, die in überschwemmten Kellern reagierten, waren zu bewältigen.

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Nicht nur auf die Sicherheit der Bevölkerung war zu achten, sondern auch auf den Eigenschutz der Einsatzkräfte.

Dabei musste auf eine Vielzahl von Gefahren wie etwa Strom, die im Wasser schwimmenden Gegenstände, offene Gruben oder Schächte, sowie das Wasser selbst geachtet werden.

Sämtliche Einsatzmaßnahmen wurden durch die Beschädigungen vor Ort erschwert.

Ganze Straßen inkl. der Kanalisation sowie Gas-, Strom, Wasser- und Telefonleitungen gab es nicht mehr. Schutt türmte sich in und auf den Straßen auf, Fahrzeuge standen als Totalverlust nebeneinander in den Straßen oder stapelten sich aufeinander.

Der Schutt musste teilweise erst an den Straßenrand geräumt werden, damit die Einsatzkräfte vorankamen. Einige Straßen und Einsatzstellen waren nur noch zu Fuß zu erreichen - eine Zufahrt mit Fahrzeugen war oft nicht möglich.

Den Einsatzkräften bot sich ein Bild unvorstellbaren Ausmaßes. Wenn man die Bilder in den sozialen Netzwerken sowie in den Medien sieht, kann man nur ansatzweise erahnen, welche apokalyptischen Eindrücke sich vor Ort boten.

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Am Freitag, den 16.07.2021, erfolgte durch den Wehrführer die Nachricht, dass Personal für die Ablösung gesucht werde. Abfahrt war bereits um 08:30 Uhr von Herxheim nach Landau und von dort um 09:00 Uhr in das Einsatzgebiet. Die geplante Einsatzdauer war zwischen 24 und 48 Stunden angesetzt. Auch hier wurde der Arbeitgeber schnellstens informiert und für alles für den Einsatz benötigte zusammengestellt.

Auch am Samstag und Sonntag wurde selbstständig die Ablösung der Einsatzkräfte organisiert und auch durchgeführt. Am Sonntag den 18.07.2021 kam die Mitteilung der ADD, dass der Präsident der ADD die Gesamteinsatzleitung übernommen hat. Die in den ersten Tagen eingesetzten Kräfte wurden durch frische Kräfte aus dem gesamten Bundesgebiet abgelöst.

Von Donnerstag, den 15.07.2021, bis Sonntag, den 18.07.2021, waren insgesamt 500 Einsatzkräfte des Landkreise Südliche Weinstraße sowie der Stadt Landau im Einsatz aktiv.

Die Stadt Bad Neuenahr ist mit am schwersten betroffen. Von 3 Feuerwehrhäusern ist nur noch eines vorhanden. Die beiden anderen wurden durch die Flut irreparabel beschädigt. Mehrere Brücken wurden von der Flutwelle weggerissen, Straßen wurden komplett zerstört. Viele Versorgungsleitungen für Strom, Wasser und Gas, aber auch Abwasserkanäle, Telefonleitungen und Mobilfunkmasten wurden beschädigt und sind auch in absehbarer Zeit nicht mehr benutzbar.

Durch die nicht funktionierende Infrastruktur ist vor allem die in diesem Stadtteil lebende Bevölkerung betroffen. Diese Probleme betreffen vor allem die zahlreichen älteren Menschen. So funktionieren beispielsweise keine Aufzüge oder Treppenlifte mehr. Gehbehinderte Personen haben so nicht mehr die Möglichkeit aus höheren Stockwerken aus dem Haus zu kommen. Durch die fehlenden Kommunikationsmittel können Angehörige, Pflegedienste aber auch Hausarzt oder Rettungsdienst nicht erreicht werden. Dringend benötigte Medikamente können nicht abgeholt oder bestellt werden. Tragbare oder stationäre Beatmungsgeräte funktionieren nicht mehr, notwendige Hygienemaßnahmen können wegen der ausgefallenen Trinkwasserversorgung nicht mehr durchgeführt werden, uvm…

Aus diesem Grund hat sich die Abschnittsleitung entschlossen, Erkundungstrupps in die einzelnen Straßen zu schicken, mit den teilweise noch in den Wohnungen befindlichen Personen Kontakt aufzunehmen und Art und Umfang der benötigten Hilfe zu erkunden. Dabei wurden die Einsatzkräfte der Feuerwehr von Angehörigen einer Bundeswehreinheit unterstützt.

Im Lauf des Sonntags konnten in unserem Bereich über 230 Personen kontaktiert werden und die erforderliche Unterstützung durch Ärzte, Rettungsdienste oder auch Angehörige in die Wege geleitet werden.

Auch die Einsatzkräfte der TEL/IuK waren in der Zwischenzeit nicht untätig. Ihr erster Einsatzauftrag war die Ablösung der technischen Einsatzleitung in Konz bei Trier.

Die technische Einsatzleitung hat die Aufgabe, Mitteilungen und Lagemeldungen entgegen zu nehmen, sowie sich um Anforderungen von Personen und Material zu kümmern und zu organisieren, dass diese vor Ort gebracht werden. Dabei handelt es sich beispielsweise um Radlader, LKW, Schuttmulden oder auch Benzin oder Diesel für den Betrieb von Pumpen und Aggregate.

Nach insgesamt 12 Stunden wurden die hier eingesetzten Kräfte abgelöst und zum Ausruhen in ein Hotel gebracht, bevor am nächsten Morgen die technische Einsatzleitung in Konz wieder übernommen wurde.

Danach endete der Einsatz in Konz.

Am Samstag, den 17.07.2021 wurden die Einsatzkräfte der Berufsfeuerwehr Mainz in der technischen Einsatzleitung direkt in Bad Neuenahr abgelöst.

Auch hier musste durch die technische Einsatzleitung für Nachschub an Radladern, Baggern, Schuttmulden, LKW für unterschiedlichste Transportaufgaben, Treibstoff und vieles mehr – unter anderem auch Dixi-Toilettenhäuschen - gesorgt werden.

Auch weitere Einsatzkräfte sowie Rettungswagen zur Absicherung der Einsatzkräfte waren zu organisieren.

Auch der Einsatz der technischen Einsatzleitung/Information- und Kommunikation wurde am Sonntagabend, den 18.07.2021, beendet.

In der Zwischenzeit sind erneut Mitglieder der TEL/IuK-Einheit im Bereich der Technischen Einsatzleitung im Landkreis Ahrweiler im Einsatz. Der Einsatz dauert noch mindestens bis zum Mittwoch, den 28.07.2021.

Die Mitglieder der SEG-Verpflegung haben ebenfalls bereits wieder einen Einsatzauftrag und werden ab Donnerstag, den 29.07.2021 für die Dauer von einer Woche die Verpflegung für rund 2000 Einsatzkräfte sicherstellen.

Die gegenseitige Hilfe innerhalb der Bevölkerung ist beeindruckend und beispielgebend. Viele kleine Szenen spielten sich ab, in denen die Dankbarkeit der Bevölkerung deutlich wurde.

Beeindruckend sind auch die Anteilnahme und die Hilfsbereitschaft in ganz Deutschland.

Der Einsatz hinterließ bei allen Einsatzkräfte einen bleibenden Eindruck und ist nur sehr schwer in Worte zu fassen.